„Research shows that showing people research
doesn’t work“
Eigentlich wissen wir genug. Unser kollektives Verhalten in der Klimakrise ähnelt der Situation, nachts mit voller Blase aufzuwachen. Wir wissen, was zu tun ist. Wir wissen, dass es von allein nicht besser wird. Aber wir stellen uns schlafend, in der Hoffnung, dass sich die Probleme irgendwie durch Ignorieren auflösen. Tun sie nicht. Was hilft: Aufwachen, Augen auf – und Handeln.
Die Erkenntnis, dass der Mensch dramatische Veränderungen des Klimas und der Ökosysteme unseres Planeten verursacht, ist nicht neu. Bereits 1972 hat der Club of Rome die „Grenzen des Wachstums“ abgesteckt (Meadows 1972), NASA-Wissenschaftler Dr. James E. Hansen hat 1988 im US-Kongress über den menschengemachten Klimawandel berichtet (New York Times 1988), spätestens 2009 haben die Expert:innen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) das Konzept der planetaren Grenzen und der Kipppunkte, nach deren Erreichen die Welt nie wieder wird wie zuvor, ausführlich beschrieben (Rockström et al. 2009). Und trotzdem ist die Auseinandersetzung mit der Klimakrise für viele erst wirklich real geworden, seit ein schwedisches Mädchen am 20. August 2018 begonnen hat, zu streiken, statt zur Schule zu gehen. Greta Thunberg hat mit Fridays for Future eine globale Bewegung gestartet und die Welt aufgerüttelt. Und als die Jugendlichen bezichtigt wurden, nur die Schule zu schwänzen und aufgefordert wurden, die Politik den „Profis“ zu überlassen, reagierten die Profis aus der Wissenschaft. 28.000 haben bei „Scientists for Future“ klargemacht, dass die Sorgen um die Zukunft völlig berechtigt sind und wir unsere Lebensgrundlage nur durch schnelles politisches und gesellschaftliches Handeln bewahren können.
Die Klimakrise als „wicked problem“ – warum wir schwer ins Handeln kommen
Warum hat es so lange gedauert, bis wir begonnen haben, auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Krise zu reagieren? Und warum fällt es bis heute so vielen Menschen schwer, zu einer klaren eigenen Haltung und zum Handeln zu kommen? „Research shows that showing people research doesn’t work“ – diese prägnante Zusammenfassung stammt von Dr. John Sterman von MIT Sloan and Climate Interactive (Climate Interactive 2016). George Marshall, der Gründer von Climate Outreach, hat in seinem Buch „Don’t even think about it. Why our brains are wired to ignore climate change“ eine ausführlichere Antwort geliefert (Marshall 2014). Die Klimakrise ist ein Problem, das allen Mechanismen widerspricht, die die Evolution uns mitgegeben hat, um Gefahren zu begegnen. Wenn unser Haus brennt, rennen wir sofort raus und geben alles, um unsere Angehörigen und sogar Fremde zu retten. Wenn unser Haus aber langsam immer heißer und lebensfeindlicher wird, springt unser instinktives Überlebenssystem nicht im gleichen Maße an.
Die Klimakrise ist ein Problem, das allen Mechanismen widerspricht, die die Evolution uns mitgegeben hat, um Gefahren zu begegnen.
Die Gefahr ist höchst komplex, es gibt keinen richtigen Gegner – wir selbst sind Opfer und Verursacher der Krise zugleich. Kein Wunder, dass wir uns schwertun, angemessen zu reagieren. Die Klimakommunikation der letzten 30 Jahre, die das Thema als Wissenschafts- oder Technikthema, als Thema von Eisbären oder fernen Ländern behandelt hat, hat uns nicht aus der kollektiven Lethargie reißen können. Dafür brauchte es Jugendliche, die die Krise als ihre eigene erkannt haben: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“ Und plötzlich war es deutlich schwerer, wegzuschauen, erst recht für alle, die selbst Kinder haben.