Jetzt oder nie:Nachhaltigkeit
im Gesundheitswesen
Jürgen Graalmann
Eckart von Hirschhausen | Kerstin Blum (Hrsg.)

Das Gesundheitswesen: Treiber für Klimaschutz und Nachhaltigkeit

Die Klimakrise bedroht nicht nur Sicherheit und Wohlstand weltweit – sie ist auch die größte Gesundheitsgefahr des 21. Jahrhunderts. Lange wurden in der Diskussion um Klimaschutz weder die Gesundheitsfolgen der Klimakrise ausreichend betrachtet noch die wichtige Rolle des Gesundheitswesens. Dieses ist als Sektor direkt von den Folgen der Krise betroffen und hat gleichzeitig einen maßgeblichen Beitrag an ihrer Entstehung. Mit seiner gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung kann das Gesundheitswesen zum Treiber für die gesamte Klima- und Transformationsdebatte werden. Dazu braucht es eine Neuaufstellung in Richtung ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit, die mit einer effektiven medizinischen Infrastruktur Teilhabe für jeden ermöglicht.

Jetzt oder nie: Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen wirft einen Blick auf die besondere Rolle und Wirkung des Gesundheitswesens. Mit einer abwechslungsreichen Mischung aus Beiträgen, Interviews und Steckbriefen wird sichtbar, wie das Gesundheitswesen als Treiber für die Transformation der Gesellschaft hin zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz agieren kann. Mit den vermittelten Ansätzen, Strategien und Visionen seiner Autor:innen wird das Buch zum Impulsgeber wie auch zur Gebrauchsanleitung für die notwendigen Transformationen. Dazu gehören auch die politischen Rahmenbedingungen und Anreize, die für die notwendigen Veränderungen geschaffen werden müssen.

Eckart von Hirschhausen – Statement zu „Jetzt oder nie: Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen“

Zahlen im Überblick

Das große Ganze

Im Detail

6 %

der deutschen Treibhausgasemisionen werden vom Gesundheitswesen verursacht
(Peter-Paul Pichler 2022)

4 %

des gesamtdeutschen Rohstoffkonsums verbraucht der Gesundheitssektor (viertgrößter Rohstoffkonsument)
(Ostertag et al. 2021/Fraunhofer Isi)

1

Krankenhausbett verbraucht so viel Energie wie 4 neuere Einfamilienhäuser (BUND e.V. 2021)

600

Liter Wasser verbraucht ein Krankenhausbett pro Tag (Privathaushalt 120 Liter/Tag) (viamedica Stiftung 2022)

Zahlen im Überblick

Das große Ganze

6 %

der deutschen Treibhausgasemisionen werden vom Gesundheitswesen verursacht
(Peter-Paul Pichler 2022)

4 %

des gesamtdeutschen Rohstoffkonsums verbraucht der Gesundheitssektor (viertgrößter Rohstoffkonsument)
(Ostertag et al. 2021/Fraunhofer Isi)

Im Detail

1

Krankenhausbett verbraucht so viel Energie wie 4 neuere Einfamilienhäuser (BUND e.V. 2021)

600

Liter Wasser verbraucht ein Krankenhausbett pro Tag (Privathaushalt 120 Liter/Tag) (viamedica Stiftung 2022)

Stimmen aus dem Werk I

Jürgen Graalmann

Jürgen Graalmann

Die BrückenKöpfe GmbH

„Es braucht einen ordnungspolitischen Gestaltungswillen des Gesetzgebers. Nachhaltigkeit muss systemisch verankert werden. Dies gelingt über einen nachhaltig regulierten Zugang zum Gesundheitsmarkt und die notwendigen Investitionen in eine nachhaltige Infrastruktur. “

„Wir brauchen eine tiefgreifende Transformation. Finanziert werden kann diese nicht aus vereinzelten Förderprogrammen. Wir bräuchten eine Art „Sondervermögen Gesundheit.“

Johannes Wagner

MdB

Andrew Ullmann

MdB

„Geben wir den Krankenhäusern die richtigen ökologischen Ziele vor, dann gibt es keinen besseren Weg dorthin als den der ökonomischen Vernunft.“

Thesen

  • War Gesundheit lange etwas Individuelles, ist heute klar, dass Gesundheit auf Grundlagen beruht, die das Gesundheitswesen selbst weder garantieren noch behandeln kann.
  • Mehr sichtbarer Einsatz für Klimaschutz im Gesundheitswesen entwickelt daher eine hohe Sichtbarkeit und Überzeugungskraft auch in andere Gesellschaftsbereiche.
  • Es braucht verbindliche Ziele, Rahmenbedingungen und eine institutionelle Verankerung sowie Anpassungsmaßnahmen der Gesundheitsinfrastruktur

Erst wenn sich nachhaltiges Handeln mehr lohnt als kurzsichtige, nicht nachhaltige Ergebnisoptimierung, kann der Übergang zu einem nachhaltigen Gesundheitswesen Fahrt aufnehmen.

Die notwendige Synchronisierung kann über zwei wesentliche Handlungsfelder erfolgen:

  1. Integration der ökologischen Dimension ins Gesundheitswesen durch Regulierung des Marktzugangs und Einpreisung ökologischer Folgekosten
  2. Vorfinanzierung der Transformation der Versorgungsstrukturen zu einer nachhaltigen medizinischen Infrastruktur

Stimmen aus dem Werk II

Kerstin Blum

Kerstin Blum

Die BrückenKöpfe GmbH & Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen gGmbH

„Viele der Dinge, die immer schon richtig waren – Gesundheitsförderung und Prävention statt Kuration, der Abbau von Über- und Fehlversorgung, die Stärkung von Gesundheitskompetenz und informierter Entscheidungsfindung – sind klimafreundlich.“

„Gesundheit ist ein „Game Changer“ bei unserer Suche nach gesellschaftlichen Lösungen für die Klimakrise. War sie lange etwas Individuelles, ist heute jedem klar: Gesundheit beruht auf Grundlagen, die das Gesundheitswesen selbst weder garantieren noch behandeln kann. Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde.“

Prof. Dr. med. Eckart von Hirschhausen

Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen gGmbH

Das Nachhaltigkeitsdilemma im deutschen Gesundheitswesen

Jürgen Graalmann, Tim Rödiger, Kerstin Blum und Friederike Kreßler

Nachhaltigkeit ist zu einem Modewort geworden. In jeder Branche und auch im Gesundheitswesen wird es immer häufiger verwendet, wenn auch die konkrete Bedeutung oft schwammig bleibt. Die in den letzten Jahren prominenter gewordene Diskussion um die Klimakrise fokussiert auf eine Definition von Nachhaltigkeit, die speziell die ökologische Modernisierung von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen in den Mittelpunkt stellt.

Stimmen aus dem Werk III

Klaus Holetschek

Staatsminister für Gesundheit und Pflege Bayern

„Zur sicheren Orientierung wollen wir ein transparentes Gütesiegel schaffen. Die Vorstufe einer Auszeichnung als Best-Practice-Krankenhaus hilft die laufenden Nachhaltigkeitsbemühungen einfach und überzeugend gegenüber der Öffentlichkeit zu kommunizieren.“

„Jedes Krankenhaus kann und sollte eigenverantwortlich handeln und eine Struktur aufbauen, die es ermöglicht, Nachhaltigkeitsprojekte systematisch und zielgerichtet umzusetzen.“

Jannis Michael

Charité – Universitätsmedizin Berlin

Der NHS auf dem Weg zum klimaneutralen Gesundheitssystem

Dr. Nick Watts, MBBS, MA, BMedSci, FFPH, im Interview mit Kerstin Blum

Der National Health Service (NHS) – das britische Gesundheitssystem – ist das einzige Gesundheitssystem der Welt, das routinemäßig über seine Treibhausgasemissionen berichtet. Seit 2010 hat der NHS seine Emissionen um 30% gesenkt. Im Oktober 2020 verpflichtete sich der NHS zu einer Strategie der Emissionsreduzierung mit einem Netto-Null-Ziel bis 2040 für Einrichtungen des Gesundheitswesens und entlang der Lieferkette, sowie bis 2045 für zusätzliche Emissionen aus Patienten- und Besucheran- und -abreisen und zuhause genutzte medizinische Services.
(NHS, Delivering a ‘Net Zero’ National Health Service Report, 2020).

Stimmen aus dem Werk IV

Prof. Dr. habil. Ilona M. Otto

Universität Graz & Wegener Center für Klima und Globalen Wandel

„Es ist wichtig, sich langfristig zu engagieren, nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen und sich Netzwerken und Gruppen anschließen, in denen man sich austauschen und gegenseitig unterstützen kann. Schlussendlich kann niemand genau sagen, was zu tun ist, denn wir stehen vor einer Herausforderung, die es in der Geschichte der Menschheit so noch nie gegeben hat. Es ist wichtig, offen zu bleiben, bereit zu sein, zu lernen, zu experimentieren und neue Möglichkeiten zu erkunden.“

„In einem Industrie- und Innovationsland wie Deutschland können wir uns als Gesellschaft neueste, innovative Therapien durchaus leisten; was wir uns nicht leisten können, sind Ineffizienzen und Redundanzen in der Versorgung.“

Prof. Dr. Hagen Pfundner

Roche Pharma AG

Wir können es schöner haben – und gesünder! – Für eine neue Klimakommunikation

Kerstin Blum und Eckart von Hirschhausen

Eigentlich wissen wir genug. Unser kollektives Verhalten in der Klimakrise ähnelt der Situation, nachts mit voller Blase aufzuwachen. Wir wissen, was zu tun ist. Wir wissen, dass es von allein nicht besser wird. Aber wir stellen uns schlafend, in der Hoffnung, dass sich die Probleme irgendwie durch Ignorieren auflösen. Tun sie nicht. Was hilft: Aufwachen, Augen auf – und Handeln.

Stimmen aus dem Werk V

Wolfgang K. Hoever

inoges ag

„Last but not least bedeutet Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen auch die Bereitschaft zu einem überfälligen Systemwandel weg von der Pathogenese hin zur Salutogenese.“

„Für die Zukunft müssen die Wohlfahrtsverbände den Dialog mit der Politik und anderen Anspruchsgruppen wie Kranken- und Pflegekassen intensivieren, damit Klimaschutz Eingang in die Regelfinanzierung von sozialer Arbeit findet.“

Thomas Diekamp

AWO Bundesverband

Die Ressource Mensch

Christine Vogler und Dr. Klaus Reinhardt im Interview mit Jürgen Graalmann

Die Menschen in Gesundheitsberufen erreichen regelmäßig Höchstwerte unter den Berufsgruppen, denen die Bevölkerung das größte Vertrauen entgegenbringt. Gleichzeitig haben sie über den direkten Kontakt mit Menschen in allen Lebensphasen einen großen Einfluss auf deren gesundheitsbezogenes Verhalten und Vorbildfunktion.

Stimmen aus dem Werk VI

„Management und Aufsichtsräte werden verstehen lernen müssen, worum es bei nachhaltiger Entwicklung eigentlich geht und was das für ihr jeweiliges Tagesgeschäft bedeutet.“

Yvonne Zwick

B.A.U.M. e.V. – Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften

Tim Rödiger

Tim Rödiger

Die Brückenköpfe

„Werden beim Marktzugang neben den ökonomischen und sozialen Aspekten auch ökologische Aspekte berücksichtigt, treten vermehrt umweltverträgliche Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in den Gesundheitsmarkt ein. Klare Spielregeln und ein zeitlicher Übergang bieten den Akteuren die notwendige Planbarkeit, um ihr Angebot nachhaltiger zu gestalten.“

Planetary Health – Resiliente Gesundheitssysteme

Maike Voss und Christian M. Schulz

Der Mensch kann nicht unabhängig von biologischen Systemen existieren. Durch diese enge Verknüpfung ist der Gesundheitssektor bereits jetzt mit den gesundheitlichen Folgen der Überschreitung planetarer Grenzen konfrontiert. Gleichzeitig ist er selbst wesentlicher Treiber dieser Entwicklung. Aus Planetary-Health-Perspektive hat der Gesundheitssektor eine zentrale Rolle, diese Entwicklung abzuschwächen (Mitigation) und sich daran anzupassen (Adaptation).

Stimmen aus dem Werk VII

Günther Bachmann

ehem. Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung

„Das nachhaltige Wirtschaften braucht einen Ordnungsrahmen wie einst die Soziale Marktwirtschaft. Für „klimaneutral“ und „nachhaltig“ brauchen wir Parameter, Praxisvergleiche und Clearing-Stellen. Selbstorganisation der Wirtschaft und Industrie ist gefragt.“

„Wie in allen Bereichen der Gesellschaft reicht es nicht aus, Unsinniges effizienter zu machen. Auch im Gesundheitsbereich ist es notwendig, grundlegend neu zu bewerten, wo gesellschaftliche Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden und wo ihr Verbrauch reduziert werden kann, ohne dem Gemeinwohl zu schaden.“

Peter-Paul Pichler, PhD

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Die Rolle der Kostenträger

Andrea Galle und Christoph Straub im Interview mit Jürgen Graalmann

Die Gesetzlichen Krankenversicherungen nehmen sowohl als Unternehmen als auch zentrale Kostenträger im deutschen Gesundheitssystem eine wichtige Rolle im Diskurs über ein nachhaltiges Gesundheitswesen ein. Das Gespräch über eigene Überzeugungen, Initiativen und Forderungen führte Jürgen Graalmann.

Stimmen aus dem Werk VIII

Gottfried Ludewig

T-Systems International GmbH

„Wir müssen eine Telematikinfrastruktur 2.0, also eine softwarebasierte, sichere Infrastruktur, schaffen: So würde Nachhaltigkeit mit einer besseren und flexibleren Versorgung kombiniert.“

„Nachhaltigkeit ist das Gegenteil von Nachlässigkeit. … Wir empfehlen für das Gesundheitswesen, dass Kreislaufsysteme und nachhaltige Produkte und Dienstleistungen den reduzierten Mehrwertsteuersatz verwenden dürfen.“

Stephan Richtzenhain

Geschäftsführer Sitex

Eckhart von Hirschhausen – Statement zu „Jetzt oder nie: Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen“

Exkurs: Cradle to Cradle im Gesundheitswesen – Eine Innovationschance

Michael Braungart

Städte wie Berlin, München, Hamburg usw. wollen bis zum Jahr 2040 oder 2050 klimaneutral sein. Was für viele von uns ambitioniert klingt, ist bei genauerer Betrachtung ein trauriges Ziel, mit dem wir weit hinter unseren Möglichkeiten und denen anderer Lebewesen zurückbleiben. Kein Baum ist klimaneutral, ein Baum ist gut für die Umwelt und gut fürs Klima. Ein Baum bindet Kohlendioxid aus der Atmosphäre und speichert es im Holz. Wollen wir also tatsächlich dümmer als Bäume sein?

Exkurs: Cradle to Cradle im Gesundheitswesen – Eine Innovationschance

Michael Braungart

Städte wie Berlin, München, Hamburg usw. wollen bis zum Jahr 2040 oder 2050 klimaneutral sein. Was für viele von uns ambitioniert klingt, ist bei genauerer Betrachtung ein trauriges Ziel, mit dem wir weit hinter unseren Möglichkeiten und denen anderer Lebewesen zurückbleiben. Kein Baum ist klimaneutral, ein Baum ist gut für die Umwelt und gut fürs Klima. Ein Baum bindet Kohlendioxid aus der Atmosphäre und speichert es im Holz. Wollen wir also tatsächlich dümmer als Bäume sein?

Die Herausgeber:innen

Jürgen Graalmann

Jürgen Graalmann ist seit 25 Jahren im Gesundheitswesen aktiv. Nach Studium und Stationen in der privaten Krankenversicherung, lange Jahre Leiter Gesundheits- und Unternehmenspolitik der BARMER, danach AOK-Politik-Geschäftsführer und bis 2015 Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Er ist Gründer und Geschäftsführer der Berliner Konzept- und Beteiligungsagentur Die BrückenKöpfe sowie Geschäftsführer des Deutschen Pflegetages, den er 2014 mit initiiert hat.

Prof. Dr. Eckart von Hirschhausen

Eckart von Hirschhausen ist Arzt, Wissenschaftsjournalist, Mitbegründer der „Scientist for Future“ und Gründer der Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“. Er studierte Medizin und Wissenschaftsjournalismus in Berlin, London und Heidelberg. Als Sachbuchautor und Chefreporter der Zeitschrift „Hirschhausen STERN Gesund leben“, sowie als Moderator von Wissensshows und Dokumentationen vermittelt er medizinische Inhalte verständlich und humorvoll. Er ist Ehrenmitglied der Charité, Mitglied der Deutschen Gesellschaft CLUB OF ROME e.V, und Ehrenprofessor der Universität Marburg.

Kerstin Blum

Kerstin Blum ist Geschäftsführerin der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen und entwickelt als Senior Project Manager bei den BrückenKöpfen Strategien zum Thema „Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen“. Sie greift zurück auf mehr als 15 Jahre Erfahrung im gesundheitspolitischen Umfeld mit wechselnden Perspektiven: Als Mitarbeiterin im Bundestagsbüro, als Projektmanagerin bei der Bertelsmann Stiftung und als Abteilungsleiterin eines großen Krankenkassenverbandes.

Informationen zum Buch