Mit der Verpflichtung, dass Krankenkassen ihren Versicherten eine ePA anbieten müssen, hat der Gesetzgeber einen zentralen digitalen Datenspeicher unter vollständiger Kontrolle des Versicherten geschaffen. Damit wurde den Krankenkassen eine zentrale Aufgabe in der Digitalisierung zugewiesen. Auch wenn die ePA zum Start nicht mehr als ein sicherer Datensafe ist, bringt sie die besten Voraussetzungen mit, zu einer zentralen Schnittstelle zwischen Versicherten, Krankenkassen und Leistungserbringern ausgebaut zu werden. Somit kann sie zur Basis eines Gesundheitsökosystems werden, das keine wirtschaftlichen Interessen verfolgt und unter strengen Datenschutzvorgaben steht. Dort könnten Patientinnen und Patienten alle Gesundheitsbelange selbst verwalten. Befunde, Arztbriefe, Labordaten und Röntgenbilder sind nicht nur immer zur Hand, sie können bei Bedarf auch bequem mit anderen Leistungserbringern geteilt werden.
Füllen die Krankenkassen hier eine aktive Rolle aus und wirken, zusammen mit den Leistungserbringern, an der weiteren Gestaltung der ePA mit, kann es gelingen, über Schnittstellen zu den Tech-Unternehmen am digitalen Fortschritt zu partizipieren und gleichzeitig die Hoheit und Kontrolle über die Entwicklung zu behalten. Gelingt das nicht, laufen die Krankenkassen Gefahr, mittelfristig von einem Player wie Ping An verdrängt zu werden. Sie verkümmern so zu reinen Zahlungsabwicklern und verwalten letztendlich die Beitragsgelder im Geschäftsinteresse eines internationalen Konzerns, anstatt diese im Sinne der Versicherten einzusetzen.
Realistisch gesehen, werden globale Tech-Unternehmen immer Lösungen entwickeln, die Krankenkassen allein niemals so entwickeln könnten. Das ist auch nicht das Ziel, die Kompetenzen einer Krankenkasse liegen darin, die Gelder der Versicherten in deren Interesse bestmöglich zu verwenden und die Versorgung im Sinne ihrer Versicherten aktiv zu gestalten. Wenn sie ihren Versorgungsauftrag ernst nehmen und sich der Entwicklung nicht versperren, bringen sie durch die patientenbestimmte ePA optimale Bedingungen mit, als Partner auf Augenhöhe die Angebote der Tech-Unternehmen, von Start-ups und Leistungserbringern zu integrieren und die Schnittstelle zu den Versicherten zu betreiben.
Die geplante Einführung des E-Rezepts zeigt jedoch, dass das kein Selbstläufer ist: Hier wird deutlich, wie groß die Tendenz der beteiligten Akteure zum Klein-Klein ist und wie gering die Bereitschaft, das große Ganze betrachten. Aus dieser übergreifenden Perspektive gibt es schlichtweg keinen Grund, das E-Rezepts nicht als klar definierten Teil der ePA zu entwickeln. Umgesetzt werden soll nach derzeitigem Diskussionstand dennoch quasi das Gegenteil: Das E-Rezept wird als eigene Anwendung von der gematik programmiert werden. Wer künftig digitale Rezepte nutzen will, benötigt nur für diesen Schritt eine separate App und vorübergehend ein zusätzliches Authentifizierungsverfahren.