Von Leuchttürmen
zur Breitenwirkung:
Anreizmechanismen und
modulare Qualitätsverträge
Yannik Schreckenberger und Moritz Neubauer

Die Autoren

Yannik Schreckenberger

Yannik Schreckenberger ist Gründer und Geschäftsführer des auf Lebensqualität spezialisierten Digital-Health-Unternehmens Heartbeat Medical. Er studierte Physik an der Universität zu Köln und leitete bis 2013 eine Agentur für Medizinmarketing und Gesundheits-IT. Bis 2017 war Yannik Schreckenberger Lead Organizer von Hacking Health Berlin und etablierte neue Ansätze der digitalen Versorgungssteuerung.

Moritz Neubauer

Moritz Neubauer studierte Entwicklungsökonomik und Wirtschaftsgeschichte in Bayreuth, Tel Aviv und Lund mit einem Fokus auf Transformation, Einflussnetzwerke und öffentliche Güter. Seit 2019 ist er bei Heartbeat Medical beschäftigt und leitet den Bereich Kommunikation und Marketing.

Qualitätsverträge – Zielvorgaben und Potenziale einer ergebnisorientierten Versorgungsvergütung

Für das deutsche Gesundheitswesen und seine weitestgehend volumenorientierte Anreizstruktur stellen Qualitätsverträge einen vielversprechenden Schritt in Richtung einer ergebnisorientierten Versorgung und Vergütung nach den Prinzipien von Value-Based Health Care dar. Im Jahre 2015 im Rahmen des Krankenhausstrukturgesetzes legislativ ermöglicht und 2018 vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit konkreten ersten Leistungsbereichen ausgestattet, sollen Qualitätsverträge die Verbesserung stationärer Versorgung mittels ergebnisorientierter Anreize und höherer Qualitätsanforderungen erproben. Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) begleitet die Erprobung und orientiert sich in der Bewertung an den Kriterien Zielerreichung, Praktikabilität und unerwünschte Effekte. Am Ende der Erprobungsphase, die bis 2028 geplant ist, soll eine Empfehlung ausgesprochen werden, welche Qualitätsverträge in die Regelversorgung überführt werden sollen (IQTIG 2017). Im Falle einer Übernahme in die Regelversorgung folgt eine Entfristung der betroffenen Leistungsbereiche und eine Erstattung (IQTIG 2023).


Hierbei unterscheiden sich die bisher ausgewählten Leistungsbereiche stark in ihrer Umsetzbarkeit in der Fläche sowie in der Forschungslage zur wertorientierten Implementierung. Die ersten vier Bereiche stellen nach Beschluss des G-BA von Mai 2017 die Endoprothetische Gelenkversorgung, die Prävention des postoperativen Delirs bei der Versorgung von älteren Patient:innen, die Respiratorentwöhnung von langzeitbeatmeten Patient:innen sowie die Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen im Krankenhaus dar. Als weitere vier Leistungsbereiche kamen mit Beschluss vom 21. Juli 2022 die Diagnostik, Therapie und Prävention von Mangelernährung, die Multimodale Schmerztherapie, Geburten/Entbindung sowie die stationäre Behandlung der Tabakabhängigkeit hinzu, deren genaue Ausgestaltung bis Herbst 2023 definiert wird (G-BA 2023a). Der Diversität der definierten Leistungsbereiche liegt unter anderem das Ziel zugrunde, die Methode der Qualitätsverträge möglichst breit zu testen.

Entwicklungsphasen und Veränderungen der Systemumgebung

Die Einführung und Etablierung von Qualitätsverträgen lässt sich grob in drei Phasen gliedern:

  • Phase 1 – Exploration: In der ersten Phase der Qualitätsverträge nach §110a SGB V – circa von 2018 bis Ende 2021 – erreichten erste Vertragsmodelle aufgrund einer gewollt hohen Gestaltungsfreiheit nur eine geringe Anzahl von Versicherten. Zwar stieg die Anzahl der geschlossenen Verträge und der teilnehmenden Kliniken in dieser ersten explorativen Phase, jedoch zeigten sich zum Ende der ersten Phase bereits die Begleiterscheinungen einer „Silo-Bildung“: Was in der Statistik nach Fortschritt aussah, kam in der Versorgung selbst vergleichsweise wenigen Patient:innen zugute.
  • Phase 2 – Ausweitung von Einzelverträgen: Basierend auf den Erfahrungen der ersten Jahre stieg nach einer Stagnation in der ersten Jahreshälfte 2022 die Anzahl der Verträge und Vertragspartner ab Mitte 2022 spürbar an, insbesondere in den Leistungsbereichen der Endoprothetischen Gelenkversorgung und der Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen im Krankenhaus. Neben dem generell wachsenden Bewusstsein für die qualitätsorientierte Versorgung ist hier die Einführung einer verpflichtenden Abgabe von 30 Cent pro versicherter Person als Grund für das verstärkte Interesse der Versicherungen an Qualitätsverträgen zu nennen. Der politische und regulatorische Wille, die Erprobung ergebnisorientierter Versorgungs- und Vergütungsinitiativen über ein Pflichtbudget für Qualitätsverträge sowie eine Ausweitung der Indikationen zu forcieren, zeigte Wirkung. Jedoch war der Anstieg der Vertragszahlen auch in der zweiten Phase überwiegend von Einzelverträgen zwischen einer oder wenigen Krankenkassen und einem oder wenigen Leistungserbringern geprägt.
  • Phase 3 – Zukunftsperspektive: Verstanden als qualitätszentrierte und effiziente Versorgungsform im Sinne von Value-Based Health Care stehen Qualitätsverträge nach §110a SGB V in Deutschland an einem entscheidenden Punkt. Mit einem fundamental anderen – da modular aufgebautem – Konzept für Qualitätsverträge verschiedener Leistungsbereiche und unter Einbezug zahlreicher Krankenkassen und Leistungserbringer erproben erste Akteure der Selbstverwaltung seit Herbst 2022 die dritte Phase der Qualitätsverträge. Neben einem weiterhin hohen und anhaltenden Zuwachs an Vertragspartnern ist diese Phase vorrangig geprägt durch eine deutlich engere Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen, Leistungserbringern und Plattformbetreibern mit dem Ziel höherer Akzeptanz und infolge mehr teilnehmenden Patient:innen. Exemplarisch für diese Zusammenarbeit und die Entwicklung von Einzelverträgen hin zu modularen Systemen, welche verschiedene Spezifikationsebenen der Vertragsinhalte vereinen, steht der von Heartbeat Medical unterstützte Qualitätsvertrag „Qualitätsvertrag PROvalue Endo“.

Modulare Systematik für Qualitätsverträge am Beispiel von PROvalue

Innerhalb der Ausgestaltung der dritten Entwicklungsphase von Qualitätsverträgen wurde 2022 das Projekt PROvalue für Qualitätsverträge ins Leben gerufen. Es ermöglicht allen Akteuren der Selbstverwaltung die organisatorische, medizinische und technische Umsetzung von ergebnisorientierten Versorgungs- und Vergütungsinitiativen wie Qualitätsverträgen nach §110a SGB V. Das System ist mit seiner modularen Konstruktion darauf ausgelegt, zahlreiche Leistungsbereiche abdecken zu können und gleichzeitig auf die unterschiedlichen Anforderungen, die durch die Heterogenität der Bereiche bedingt ist, einzugehen. Als übergeordnete Ziele des Projekts sind die Verbesserung der Diagnosequalität, der Prozess- und Strukturqualität sowie der Ergebnis- und Lebensqualität definiert. Die modulare Struktur ist dabei charakterisiert durch ein Baukastenprinzip, das den Aufwand für die Ausweitung auf weitere Krankenkassen und Leistungserbringer sowie um weitere Leistungsbereiche deutlich reduziert. Es besteht aus einer indikationsagnostischen Basis, generischen Systemmodulen und darauf aufsetzenden indikationsspezifischen Bausteinen (s. Abb. 1).

Aufbauend auf einer für alle Leistungsbereiche identischen und indikationsagnostischen Infrastruktur, die sämtliche technischen Funktionalitäten sowie generische Instrumente zur Lebensqualitätsmessung enthält, werden Systemmodule zur Umsetzung von Qualitätsverträgen betrieben. Nicht alle Leistungsbereiche benötigen alle Systemmodule, jedoch stehen diese indikationsübergreifend standardisiert zur Verfügung. Unterschiede treten lediglich bei den spezifischen Indikationsmodulen auf, die sich nach den jeweiligen Vorgaben des IQTIG, Leitlinien, einer strukturierten Literaturrecherche sowie Gesprächen mit den Fachgesellschaften richten. In der schematischen Darstellung wird ersichtlich, dass insbesondere Leistungserbringer und Krankenkassen durch die Verwendung der gleichen Infrastruktur und Systemmodule für verschiedene indikationsspezifische Qualitätsverträge profitieren: sämtliche Systeme, Datenschutzfreigabe und Abrechnungsabläufe können übergreifend genutzt werden, indem lediglich ein zusätzliches Indikationsmodul aktiviert wird.

Abb. 1 Schematische Übersicht eines modular aufgebauten Systems für Qualitätsverträge

Abb. 1 Schematische Übersicht eines modular aufgebauten Systems für Qualitätsverträge

Trotz vermeintlich großer Unterschiede zwischen den bereits abgedeckten und geplanten Leistungsbereichen fällt die indikationsgebundene Adaption somit weniger stark ins Gewicht als zunächst angenommen. Auch wenn sich spezifische Inhalte, Prozessstufen, Ziele sowie eingesetzte Befragungsinstrumente unterscheiden können, lassen sie sich systematisch auf die Systemmodule Screening, Prozessoptimierung, Monitoring und Vergütungsmanagement zurückführen und über die gleiche Basisinfrastruktur bedienen.

Anreizmechanismen und Konzeption modularer Qualitätsverträge

Hintergrund der Konzeption dieser neuen Generation modularer Qualitätsverträge war eine Analyse der grundlegenden Anreizstrukturen in der Selbstverwaltung in Bezug auf Verträge nach §110a SGB V. Durchgeführt wurde diese von Heartbeat Medical, einem auf Lebensqualitätsdaten und Vergütung spezialisierten Digital Health Unternehmen in Berlin. Häufig aufgezählte Herausforderungen, wie ein zusätzlicher administrativer Aufwand, eine aufwändige IQTIG-Dokumentation, Schwierigkeiten beim Erreichen hoher Teilnehmerzahlen sowie das datenschutzkonforme Einwilligungsmanagement wurden dabei mittelfristig durch technologische Unterstützung, Automatisierung und verbesserte Trainingsprogramme als lösbar identifiziert.


Indessen kristallisierten sich Nachhaltigkeit und Modularität von Qualitätsverträgen auf der organisatorischen, medizinischen und technischen Ebene als grundlegende Faktoren für die breitenwirksame Etablierung heraus. Um das Dilemma einer geringen Abdeckung einerseits sowie die fehlende Übereinstimmung der Anreizstrukturen andererseits zu überwinden, konzipierte Heartbeat Medical das in Abbildung 1 beschriebene System für modulare Qualitätsverträge von Anfang an entlang der Value-Based-Health-Care-Prinzipien und mit einem langfristigen Nutzungshorizont. Die Ziele modularer Qualitätsverträge umfassen die systemische Nachhaltigkeit durch ein Aufbrechen der sich verstärkenden Silo-Strukturen, das Schaffen einer breiten und belastbaren Datengrundlage für die IQTIG-Evaluation sowie eine spürbare Verbesserung der Versorgungsqualität für eine deutlich höhere Zahl an Versicherten. Die gesetzlich vorgeschriebene Offenheit nach §110a sollte nicht nur eingehalten, sondern aktiv als Vorteil modularer Qualitätsverträge genutzt werden, um weg von vereinzelten Leuchtturmprojekten und hin zu einer realitätsnahen Erprobung zum Wohle der Patient:innen in der Fläche zu gelangen.

Individuelle Anreizstrukturen zur Teilnahme und Ausweitung

Aufgrund der Organisation und Finanzierung der Teilnehmer der Selbstverwaltung bestehen in Bezug auf Qualitätsverträge systeminhärent unterschiedliche Optimierungsanreize. Während einzelne Krankenkassen über Qualitätsverträge möglichst vielen ihrer Versicherten qualitätssteigernde Maßnahmen zugutekommen lassen möchten und dabei ihr Pflichtbudget möglichst effizient ausschöpfen möchten, streben einzelne Leistungserbringer die bestmögliche Behandlungsqualität für möglichst viele Patient:innen in ihrer Einrichtung an. Sie haben in Folge ein Interesse daran, möglichst viele Krankenkassen in einem einzelnen Vertrag zu vereinen. Das IQTIG hat zur Beurteilung der neuen Versorgungskonzepte Interesse an möglichst vollständigen Daten zu allen Indikationen und nicht nur von Spezialkliniken bzw. Leuchttürmen, sondern aus dem ganzen Spektrum des Versorgungsalltags. Etablierte Anbieter von Monitoring- und Vergütungsplattformen können hierbei eine Mittlerfunktion einnehmen.


Stark vereinfacht kann der ökonomische Anreiz eines Leistungserbringers zur Teilnahme an einem Qualitätsvertrag als Verhältnis der aufgewendeten Ressourcen und der erwarteten Vergütung durch die Krankenkassen verdeutlicht werden. Die durchgezogene Linie in Abbildung 2 stellt hierbei den kumulierten erwarteten Ressourcenaufwand R für die Einführung und Routinenutzung eines Qualitätsvertrages aufseiten des Leistungserbringers dar. Der Ressourcenaufwand R steigt mit steigender Anzahl N der potenziell teilnehmenden Patient:innen zwar an, jedoch mit einem deutlich reduzierten Faktor. Da die Vergütung durch die Krankenkassen, dargestellt durch die gestrichelte Gerade, pro Patient:in gleich bleibt und unabhängig davon ist, ob 10, 100 oder 1000 Versicherte eingeschlossen wurden, ergibt sich ab dem Schnittpunkt R*N* eine für den Leistungserbringer positive Bilanz des Qualitätsvertrags. Die anfänglich hohen Belastungen durch Umstellung interner Prozesse, Trainings und erhöhtem Zeitbedarf beim Personal können somit ökonomisch nur bei einer erwartbar hohen Anzahl eingeschlossener Patient:innen und der damit verbundenen Vergütung gerechtfertigt werden – der unabhängige medizinische Qualitätsanspruch der Kliniken wird an dieser Stelle bewusst ausgeblendet.

Abb. 2 Kalkulation von Ressourcenaufwand und erwarteter Vergütung aus Sicht eines Leistungserbringers. R = Ressourcenaufwand; N = teilnehmende Patient:innen

Das Interesse der einzelnen Leistungserbringer an hohen Fallzahlen im Qualitätsvertrag bedingt somit ihr Interesse an möglichst vielen teilnehmenden Krankenkassen. Während ein Leistungserbringer keinerlei Vorteile aus der Teilnahme weiterer Leistungserbringer hat, wäre sein Idealfall eine Krankenkassenabdeckung von 100% innerhalb eines Qualitätsvertrages pro Leistungsbereich.

Diesem Idealfall aus Sicht der Leistungserbringer – in Abbildung 3 mit Punkt B angezeigt – steht der Anreizmechanismus für eine Krankenkasse spiegelbildlich entgegen. Dieses konzeptionelle Dilemma deckt sich mit Erfahrungen und ersten Daten zum Abdeckungsgrad von Qualitätsverträgen (G-BA 2023b). Während jede individuelle Krankenkasse keinen direkten Vorteil aus der Teilnahme weiterer Krankenkassen zieht, ist dies bei steigender Anzahl der teilnehmenden Leistungserbringer der Fall, wie in Punkt C dargestellt. Weshalb eine Vielzahl individueller Qualitätsverträge im gleichen Leistungsbereich mit einer geringen Anzahl teilnehmender Leistungserbringer wie auch Krankenkassen nicht optimal ist, wird in Kombination der beiden Schemata deutlich. Jeder individuelle Vertrag bringt anfangs Errichtungskosten und Ressourcenaufwände mit sich und benötigt erwartbar hohe Patientenzahlen, um die Aufwände der Einführung zu decken. Erst ab dem Punkt der Kostendeckung kommt der Leistungserbringer durch hohe Versorgungsqualität und Vergütungsanreize in ein vorteilhaftes Szenario.


Insbesondere in den Jahren 2021 und 2022 zeigen die öffentlich verfügbaren Daten des G-BA eine Situation der Vereinzelung: Die Mehrheit der abgeschlossenen Qualitätsverträge bestanden zwischen einzelnen Kassen und wenigen Leistungserbringern (G-BA 2023b). Diese Situation folgte aus den vorliegenden Anreizen und entspricht dem Punkt A in Abbildung 3. Ein gesamtheitlich hohes Niveau sowohl der Krankenkassen- als auch der Leistungserbringerabdeckung (Punkte D und E), von der insbesondere die Bewertungsgrundlage des IQTIG profitieren würde, benötigt demzufolge zusätzliche Anreize und Initiativen.

Abb. 3 Schematische Optimierungsanreize in einem Qualitätsvertrag. Die kumulierte Verfügbarkeit in den Optima (gestrichelt) als Fläche unter der Kurve übersteigt deutlich den Nutzen beim Vorliegen individueller Optimierung von Leistungserbringern oder Krankenkassen (grau)

Abb. 3 Schematische Optimierungsanreize in einem Qualitätsvertrag. Die kumulierte Verfügbarkeit in den Optima (gestrichelt) als Fläche unter der Kurve übersteigt deutlich den Nutzen beim Vorliegen individueller Optimierung von Leistungserbringern oder Krankenkassen

Modulare Qualitätsverträge als Lösung des Abdeckungsdilemmas

Das Optimum in Bezug auf die kumulierte Verfügbarkeit eines Qualitätsvertrags für Patient:innen kann durch das Bekenntnis aller Seiten zur gemeinschaftlichen Erweiterung des Vertrags und einem von allen Seiten als neutral angesehenen Vermittler erreicht werden. Die kumulierte Verfügbarkeit gibt hierbei die Kombination der Anzahl der Leistungserbringer, die Anzahl der jeweils teilnehmenden Krankenkassen pro Leistungserbringer und die Anzahl der von beiden Parteien geschlossenen Qualitätsverträge an. Digitale Plattformen, denen aufgrund des Erhebens, Monitorings und Benchmarkings der Qualitätsdaten bereits hohes Vertrauen aller Seiten entgegengebracht wird und die transparente Daten für die Vergütung zur Verfügung stellen, eignen sich besonders für die Rolle als unabhängige Vermittler.


Dem modularen Aufbau neuer Qualitätsverträge kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Auf Basis eines stabilen und erweiterbaren Grundsystems ist eine Ausweitung entlang aller relevanten Dimensionen und somit ein Alignment der Anreizmechanismen aller Stakeholder möglich. Konzeptionell betrifft dies für ergebnisorientierte Vergütungsinitiativen im allgemeinen und Qualitätsverträge nach §110a SGB V die Dimensionen Indications (Leistungsbereiche), Providers (Leistungserbringer), Payers (Krankenkassen), Procedures (Medizinische Verfahren) und Products (Medizinprodukte und Pharmazeutika). Je mehr Dimensionen schon im Grundgerüst eines Qualitätsvertrags als modular erweiterbar angelegt sind, desto wahrscheinlicher wird eine hohe kumulierte Verfügbarkeit und ein nachhaltiger Versorgungseffekt.

Evaluation am Beispiel PROvalue Endo

Der 2022 initiierte Qualitätsvertrag PROvalue Endo zielt auf eine Verminderung der Revisionsraten, eine schnellere Rückkehr zur Mobilität sowie eine Erhöhung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität ab. Ein besonderer Fokus des Vertrags liegt auf der kontinuierlichen und direkten Befragung der Patient:innen über digitale PROMs. So können Unter-, Fehl-, oder Überversorgung sowie Abweichungen vom erwünschten Genesungspfad frühzeitig über eine Schwellenwertmethodik erkannt und adressiert werden (Techniker Krankenkasse 2022).

Nach Initiierung des Vertrags durch die Techniker Krankenkasse und Heartbeat Medical sowie dem Vertragsabschluss mit drei Pilotkliniken (Helios ENDO-Klinik Hamburg, St. Josef-Stift Sendenhorst und Orthopädische Klinik Volmarstein) konnte die Krankenkassenabdeckung innerhalb weniger Monate spürbar gesteigert werden. Anfang Mai 2023 unterstützen bereits 33 Krankenkassen, darunter die Techniker Krankenkasse, DAK Gesundheit, Barmer, AOK Rheinland/Hamburg, HEK, HKK, KKH und zahlreiche Betriebliche Krankenkassen PROvalue Endo – mit einer kumulierten Versichertenzahl von knapp 28,3 Millionen (provalue.health 2023). Dies entspricht knapp 40% der gesetzlich Versicherten und führt zu einem sichtbaren Anstieg der Vertrags- und Krankenkassenzahlen in der Statistik. Wichtiger als der Anstieg der neuen Einzelverträge ist dabei die kontinuierliche Erweiterung bestehender Verträge um zusätzliche Krankenkassen. So steigt die Abdeckung der Qualitätsverträge schneller als die Anzahl der Einzelverträge.


Die oben aufgezeigten Anreizmechanismen scheinen weiter zu wirken, da das Interesse der Leistungserbringer an einer Teilnahme deutlich höher ist als die Anzahl der Vertragsabschlüsse zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen. Zugleich deutet sich einer Verbesserung der Krankenkassenabdeckung innerhalb der bestehenden PROvalue-Endo-Qualitätsverträge an. Innerhalb weniger Monate wurden bereits über 1000 Patient:innen aufgenommen. Obgleich es für eine umfassende Evaluation noch zu früh ist, scheint der modulare Aufbau von Qualitätsverträgen deutlich zur Akzeptanz und Verbreitung beizutragen – mit positiven Auswirkungen für die Datenbasis als auch zuallererst für die Patientinnen und Patienten.

Literatur

G-BA (2023a): Qualitätsverträge zwischen Krankenkassen und Kliniken. URL: www.g-ba.de/themen/qualitaetssicherung/weitere-bereiche/leistungsbereiche-qualitaetsvertraege/ (abgerufen am 13.07.2023)

G-BA (2023b) Qualitätsverträge nach §110a SGB V. Stand 14.03.2023. URL: www.g-ba.de/downloads/17-98-5456/2023-03-14_Abgeschlossene_Qualitaetsvertraege_Uebersicht.pdf (abgerufen am 13.07.2023)

IQTIG (2017) Qualitätsverträge nach §110a SGB V: Evaluationskonzept zur Untersuchung der Entwicklung der Versorgungsqualität gemäß § 136b Abs. 8 SGB V. URL: https://iqtig.org/downloads/berichte/2018/2018-08-17_IQTIG_Evaluationskonzept-Qualitaetsvertraege_Abschlussbericht-mit-Addendum.pdf (abgerufen am 23.05.2023)

IQTIG (2023) Qualitätsverträge. URL: https://iqtig.org/qs-instrumente/qualitaetsvertraege (abgerufen am 23.05.2023)

provalue.health (2023) Krankenkassen. URL: https://provalue.health/krankenkassen (abgerufen am 23.05.2023)

Techniker Krankenkasse (2022) Mehr Lebensqualität bei Gelenkprothesen. URL: www.tk.de/presse/themen/medizinische-versorgung/krankenhausversorgung/provalue-endoprothetik-hh-nw-2140384?tkcm=ab (abgerufen am 23.07.2023)