Strategien und Konzepte für das Krankenhaus der Zukunft
So schwer und undankbar erschien es noch nie: das Management von Krankenhäusern. Auf der Grundlage zahlreicher ungelöster Probleme, wie eine schwebende Strukturreform ohne konkreten Lösungsansatz, einem nicht mehr übersehbaren Pflegemangel und immer mehr Infrastrukturmängel aufgrund ausbleibender Länderinvestitionen, stolperten die Krankenhäuser Anfang 2020 in die Corona-Krise. Die Tatsache, dass es Deutschland so gut durch die ersten Corona-Wellen schaffte, ist vor allem dem Einsatz und der Kreativität der Mitarbeitenden in den Krankenhäusern zu verdanken. Lautes abendliches Klatschen war die Konsequenz – das beruhigte, machte einige stolz, löste aber keine Probleme. Die Ernüchterung stieg mit der Dauer der Pandemie. In der Konsequenz verschärfte sich der Pflegemangel in Anbetracht ausgebrannter Intensivpfleger immer weiter, sodass Mitte 2022 bereits über 30.000 Stellen in der Pflege bundesweit nicht besetzt waren.
Auch die von den meisten Experten als unausweichlich eingeschätzte Krankenhausstrukturreform entzog sich aufgrund Corona rasch der politischen Diskussion. In Anbetracht der Pandemie waren auf einmal „Krankenhaus- betten“ gefragt. Ein allgemeiner Rettungsschirm wurde von der Politik gespannt – für alle Krankenhäuser, ganz unabhängig von Leistungskraft und tatsächlichem Beitrag bei der Bewältigung der Pandemie. Gedanken an eine Marktbereinigung wurden an vielen Stellen erst einmal wieder zurückgestellt.
Als nachhaltige Konsequenz aus der Pandemie bleibt das Krankenhauszukunftsgesetz (KhZG). Es wurde geboren aus der Realisation, dass in Deutschland im Jahr 2020 ein Überblick über Intensivkapazitäten fehlte. Konfrontiert mit dem Horrorszenario regionaler Überlastungen, war neben der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) rasch von der Notwendigkeit eines solchen Instrumentes überzeugt und finanzierte die Entwicklung der DIVI-App. Inzwischen sogar gesetzlich verankert, liefert sie einen täglichen Überblick über vorhandene Intensivkapazitäten. Bei der Implementation wurde der Berliner Politik klar, wie schlecht der Digitalisierungsgrad innerhalb der deutschen Krankenhauslandschaft wirklich war. Anstatt mit dem erhobenen Zeigefinger auf die verantwortlichen Länder zu zeigen, machte sich der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Kabinett für eine nationale Digitalisierungsinitiative der deutschen Krankenhäuser stark: 3 Mrd. € wurden vom Bund und 1,3 Mrd. € von den Ländern bereitgestellt. Das Gesetz wurde innerhalb von acht Wochen vom Referentenentwurf durch das Parlament gebracht – sicherlich rekordverdächtig. Besonders erfreulich: Die Qualität hat dabei nicht gelitten. Im Gegenteil: Es wurden neben der IT-Sicherheit neun digitale Handlungsfelder identifiziert, die mit klaren Muss- und Kann-Kriterien versehen sind. Interoperabilitätskriterien, basierend auf internationalen Standards, wurden ebenso verbindlich wie offene Schnittstellen, um einen Wettbewerb auf modularer Ebene zu ermöglichen. Erstmals deckte ein Digitalisierungsgesetz alle mit einem solchen Vorhaben verbundenen Kosten ab – Hardware, Software und vor allem Beratungsleistungen. Dabei mussten die Berater aber Kompetenz nachweisen, mittels erfolgreicher Teilnahme an einem web-basierten Test. Neben der üppigen finanziellen Unterstützung für die Jahre 2023 und 2024 wurde aber auch ein Malus für die Krankenhäuser eingeführt, die zum 01.01.2025 ein klar definiertes digitales Minimalprogramm zur Versorgung ihrer Patienten nicht nachweisen können. Zur gut gemachten Gesetzestechnik gehörte auch die verbindliche Vermessung der digitalen Maturität vor und nach dem Programm. Die Erstmessung durch das „Digital Radar“ ist bereits abgeschlossen. Die überwältigende Teilnahme von über 90 % der Krankenhäuser legt nahe, dass die Notwendigkeit einer Digitalisierungsoffensive in allen Krankenhaus-Management-Etagen inzwischen angekommen ist. Erfreulich auch, dass sich in kurzer Zeit andere Formen der Vernetzung durchgesetzt haben. So hat sich die Telemedizin, insbesondere bei der Betreuung von Intensivpatienten, in kleineren Häusern durch Experten von Maximal-Versorgern bewährt. Diese Entwicklungen werden sich nicht zurückdrehen lassen – im Gegenteil, auch ohne Corona werden sie weiter an Fahrt aufnehmen und die Qualität der intensivmedizinischen Versorgung sicherlich verbessern.
Als wäre die Corona-Pandemie nicht Belastung genug, sind mit dem grausamen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine weitere Versorgungsaufgaben auf die deutschen Krankenhäuser zugekommen. Erschwerend wirken die bislang nicht bearbeiteten Probleme. Neben dramatischen Steigerungen bei Sach- kosten und extremen Entwicklungen bei Energiekosten, sehen sich die Krankenhäuser mit bislang nicht da gewesenen Fallrückgängen konfrontiert. 14 % weniger Patienten im Jahr 2021 gegenüber 2019! Sicherlich hat das mit Corona zu tun – aber eben nicht nur. Hier spielt auch der Trend zur Ambulantisierung eine wichtige Rolle. Vielleicht gab es auch ein Element der DRG- induzierten „Überdiagnostik“. In jedem Fall aber wird die Notwendigkeit einer tiefgreifenden Strukturreform von Tag zu Tag dringlicher. Gleiches gilt für die angekündigte Einführung von Hybrid-DRGs zur besseren Abdeckung ambulanter Leistungen.
Zentrales Anliegen bei der Entstehung dieses Buches war es, das gegenseitige Verständnis zwischen den unterschiedlichen Entscheidergruppen im Krankenhaus, also ärztlichem Fachpersonal, Pflegekräften und Management, zu stärken. Das hat sich auch in dieser 4. Auflage nicht geändert. Erfolgreiches Krankenhausmanagement agiert an der Schnittstelle zwischen betriebswirtschaftlicher Expertise und medizinischem Können. Das gelingt am besten im Team. Mit gutem medizinischen und organisatorischen Management sind Qualität und Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille.
Krankenhausmanagement wird komplexer, anspruchsvoller und vor allem umfangreicher. Entsprechend ist auch in der Neuauflage die Anzahl der Beiträge angewachsen. Die Autorinnen und Autoren, denen unser besonderer Dank gilt, decken das gesamte Spektrum der Gesundheitswirtschaft ab. Allen gemein sind konkrete Erfahrungen aus dem Praxisalltag sowie die Gabe, komplexe Zusammenhänge strukturiert und verständlich darzustellen. Entsprechend vermittelt das Buch eine alltagstaugliche Anleitung mit realer Darstellung von Herausforderungen und Lösungen sowie nachahmenswerten Praxisbeispielen.
Besonders danken wollen wir unserem Verlag und dort allen voran Frau Anna-Lena Spies. Sie hat es geschafft, in dieser für alle Beteiligten nicht einfachen Zeit, die Beitragenden und das Herausgeberteam zu fokussieren und dabei den Überblick nie verloren.
Unseren Leserinnen und Lesern wünschen wir bei der Lektüre reichhaltigen Erkenntnisgewinn sowie – trotz aller Herausforderungen – eine erfolgreiche medizinische und wirtschaftliche Entwicklung ihrer Krankenhäuser.
Das Herausgeberteam im Frühjahr 2022