Die COVID-19-Pandemie hat nicht nur die virtuelle und digitale Gesundheitsversorgung beschleunigt, sondern zugleich auch Fragen zu Nutzen und Wirksamkeit digitaler Gesundheitsanwendungen in den Fokus gerückt. Die wissenschaftliche Evidenz, also der Nachweis über Wirksamkeit, potenzielle Nebenwirkungen und Nutzen von E-Health-Interventionen, spielt eine Schlüsselrolle bei der Regulierung, Vergütung, Verschreibung und Verwendung digitaler Anwendungen.
Wie hat sich die Erforschung des Nutzens von E-Health-Interventionen entwickelt? Wie vernetzt ist die Forschungslandschaft, auf welche Anwendungen und Therapiegebiete konzentrieren sich die Studien zurzeit und welche Nutzeneffekte weisen sie nach? Aufschluss gibt die nachfolgende Analyse wissenschaftlicher Publikationen zur Evidenz digitaler Gesundheitsanwendungen im Zeitverlauf und speziell für das Jahr 2021. Ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern (Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien) ordnet ein, wo die deutsche E-Health-Forschung derzeit international steht.
Doch auch unabhängig vom jüngsten Rückgang zeigt der europäische Ländervergleich, dass die E-Health-Forschung in Deutschland – insbesondere gemessen an Großbritannien – noch ausbaufähig ist. Nachfolgend nehmen wir daher zunächst die internationale Vernetzung der Forschungslandschaft in den Blick, um anschließend zu klären, welche Anwendungs- und Therapiegebiete in den einzelnen Ländern derzeit erforscht werden.
Die Analyse der E-Health-Forschungslandschaft in Europa zeigt, dass deutsche und britische Wissenschaftler:innen mit ihren Netzwerken am aktivsten sind (s. Abb. 2).
Im Bereich der psychischen Gesundheit lagen nur 13 quantitative Untersuchungen vor; der nachgewiesene Nutzeneffekt lag hier bei 70% (9 Studien). Dazu zählt unter anderem eine signifikante Verbesserung im Depressionsmodul des Gesundheitsfragebogens für Patient:innen (PHQ-9) nach Nutzung einer mobilen App.
Zeitersparnis. Bei einem Fünftel der Publikationen bestand der positive Nutzen von E-Health-Lösungen in der Zeitersparnis für das behandelnde ärztliche oder Pflegepersonal, sei es durch die Wahl der Telekonsultation anstelle der Visite am Krankenbett oder durch die Verringerung bzw. Beschleunigung administrativer Aufgaben. 19 der 33 Publikationen, die einen positiven Nutzen durch Zeitersparnis nachweisen konnten, stehen im Zusammenhang mit COVID-19 – ein Hinweis darauf, dass die Pandemie die Einführung zeitsparender Maßnahmen beschleunigt hat. So konnte eine Studie zeigen, dass die Besuchszeit bei telemedizinischen Konsultationen im Durchschnitt um 20% kürzer ausfiel als bei persönlichen Sprechstunden.
Höhere Kosteneffizienz. Fünf Publikationen (3%) weisen eine höhere wirtschaftliche Effizienz der E-Behandlung nach: zwei im Bereich Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Myokardinfarkt und ischämische Herzerkrankungen) und drei im Bereich Rehabilitation (Osteoarthritis, chronische Rückenschmerzen, pulmonale Rehabilitation). Unter anderem konnte eine Studie belegen, dass eine Smartphone-App zur Prävention gegen Myokardinfarkt das Infarktrisiko so stark reduzierte, dass nach 24 Monaten die Ersparnis durch die geringere Anzahl an Infarktereignissen höher war als die Kosten des digitalen Präventionsprogramms. Eine weitere Studie konnte zwar keine Reduzierung der Gesamtkosten für das Gesundheitssystem feststellen, dafür aber eine höhere inkrementelle Kosteneffizienz: 79 Personen hatten an einem sechsmonatigen Telemonitoring-Programm zur Cardiac Rehabilitation (CR) teilgenommen. Die hohe Adhärenz der Patient:innen bei der Nutzung des mobilen Programms spielte eine entscheidende Rolle dabei, dass die Intervention besonders kosteneffizient war.
Zwischen den untersuchten Ländern bestehen hinsichtlich der Art des Nutzeneffekts keine signifikanten Unterschiede. Differenzierungen ergeben sich jedoch bei der Betrachtung nach Anwendungs- und Therapiegebiet: So zeigt sich, dass in den Bereichen Depression und COPD sämtliche Publikationen einen verbesserten Gesundheits-status belegen können. Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Rehabilitation weisen rund 80% der Studien positive Gesundheitseffekte nach und jeweils rund 15% eine Zeitersparnis für Ärzt:innen und Pflegekräfte. Der digitalen Fernüberwachung chronisch Kranker attestieren 5% der Studien eine höhere Kosteneffizienz und 10% Zeitersparniseffekte. Publikationen im Zusammenhang mit COVID-19 – größtenteils Studien zur Telekonsultation – zeigen zu zwei Dritteln positive gesundheitliche Effekte und zu einem Drittel Zeitersparnis und Ablaufverbesserungen.
Es bleibt weiterhin spannend, die wissenschaftlichen Trends bei der Erforschung des Nutzeneffekts von E-Health-Lösungen in Deutschland und im europäischen Vergleich zu verfolgen. Absehbar ist schon jetzt: Die Forschung wird sich weiter intensivieren – und das ist zu begrüßen. Denn insbesondere durch die zunehmende Verbreitung digitaler Gesundheitsanwendungen im Zuge der COVID-19-Pandemie ist die wissenschaftliche Evidenz über den Nutzen und die Wirksamkeit von E-Health-Interventionen wichtiger denn je.