Der Berufseinstieg ist eine bedeutende und ereignisreiche Lebensphase für junge Menschen, die mit vielen neuen Erfahrungen und Herausforderungen verbunden ist. Unternehmen stehen ihrerseits vor der Herausforderung, die jungen Menschen als Beschäftigte für sich zu gewinnen, zu binden und ihre Gesundheit und Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Dafür ist Wissen über die mit dem Berufseinstieg verbundenen Belastungen und über Ansatzpunkte für Prävention und Gesundheitsförderung notwendig. In diesem Kapitel beschreiben wir daher zunächst den Berufseinstieg als besondere Übergangsphase und die gesundheitlichen Belastungen, die damit verbunden sein können. Anschließend gehen wir auf die Begriffe der Sozialisation und Unternehmenskultur ein und argumentieren, dass Unternehmen Berufseinsteigende wesentlich über Sozialisation und Kultur prägen und dies für die Prävention genutzt werden kann. Zuletzt zeigen wir anhand von Scheins Ebenen der Organisationskultur und ausgewählten Sozialisationspraktiken kurz , mittel- und langfristige Ansatzpunkte auf, die Unternehmen nutzen können, um die Bindung von Berufseinsteigenden zu stärken, die Unternehmenskultur gesundheitsförderlich zu gestalten und den Berufseinsteigenden ein Mindestmaß an Präventionsorientierung auf dem Berufsweg mitzugeben.
Fazit
Der Berufseinstieg markiert den Beginn einer neuen Lebensphase. Er kann durch einen fragmentierten Übergang, Arbeitsplatz- und Rollenunsicherheit sowie diverse Belastungen gekennzeichnet sein. Auch wenn in kindlichen Sozialisationserfahrungen der Grundstein für gesundheitsbezogene Überzeugungen, Grundannahmen und Verhaltensweisen gelegt wird, können auch Unternehmen die Berufseinsteigenden noch über die organisationale Sozialisation mit- und nachprägen. Für eine erfolgreiche organisationale Sozialisation, die den Prozess der Anpassung der Berufseinsteigenden unterstützt, müssen die Erwartungen und Werte der Berufseinsteigenden beachtet und – falls sie nicht zur bestehenden Organisationskultur passen – zwischen allen Beteiligten neu ausgehandelt werden. Trotz der erschwerten Zugänglichkeit der Organisationskultur können Präventions- und Gesundheitsförderungsstrategien kurz- und mittelfristig an gesundheitsbezogenen Artefakten und Werten und langfristig auch an den Grundannahmen der Organisation ansetzen, will man das Gesundheitsverhalten und die Gesundheit der Berufseinsteigenden über eine entsprechende Präventionskultur mittelfristig ausbilden und stärken. Aushandlungsprozesse kommen dann ins Spiel, wenn es darum geht, eine neue Präventionskultur zu schaffen oder sie im Detail zu ändern. Langfristig gilt es, die Grundannahmen der Organisation stetig zu reflektieren und in Richtung einer Präventionskultur zu entwickeln, die Berufseinsteigende explizit mitdenkt. Bei all dem dürfen die konkreten Belastungen und Ressourcen der Berufseinsteigenden nicht vergessen werden. Es sollte Ziel sein, die identifizierten Belastungen über berufseinstiegsbezogene Verhältnisprävention zu reduzieren, nicht vorhandene Ressourcen der Berufseinsteigenden aufzubauen und ihre bereits vorhandenen Ressourcen systematisch zu stärken. Auf diese Weise können Betriebe nicht nur für Berufsanfänger:innen auf Dauer gute Ausgangsbedingungen bieten, sondern auch sich selbst eine gute Ausgangsbasis für einen gelingenden, effektiven und gesundheitsförderlichen Generationenwechsel schaffen.
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