Tech-Giganten im Gesundheitswesen
und ihr Wirken auf die
Wissensexplosion
Eva Hilus und Anke Seitz

Die Autorinnen

Eva Hilus

Eva Hilus arbeitet in der Strategischen Unternehmensentwicklung der Techniker Krankenkasse (TK). Sie ist dort zuständig für die strategische Analyse mit Schwerpunkt Umfeld- und Zukunftsbetrachtung. Vor der TK war Eva Hilus in der Unternehmensberatung tätig und hat bei EY in diversen Beratungsprojekten Expertise im Bereich Change Management aufgebaut und eingebracht. Neben Beruf und Familie schreibt sie an ihrer Dissertation an der Schnittstelle zwischen Kultur- und Wirtschaftswissenschaften. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit narrativen Konstruktionen von Unternehmensidentität.

Dr. Anke Seitz

Anke Seitz arbeitet seit 2018 in der Unternehmensentwicklung der Techniker Krankenkasse (TK) und ist für die strategische Umfeldanalyse und die Entwicklung des Corporate Foresight verantwortlich. Zuvor war sie mehrere Jahre Analystin für makroökonomische und wirtschaftspolitische Fragen mit dem Schwerpunkt der Szenarioanalyse. Sie hat in Leipzig Betriebs- und Volkswirtschaftslehre studiert und in Leipzig, Oxford (UK) und beim Internationalen Währungsfonds (USA) promoviert.

Zwischen 2010 und 2022 ist die jährlich generierte bzw. replizierte digitale Datenmenge welt- weit von 2 auf 104 Zettabyte gestiegen (Statista 2024). Das entspricht 104 Milliarden Fest- platten mit einem Terabyte Speicherkapazität oder ca. 4,6 Billionen Blu-Rays, die jährlich an Datenmenge dazukommen – Tendenz steigend. Auch im Gesundheitswesen führt die Digita- lisierung zu einer schieren Datenexplosion. Diese Daten zu interpretieren, in medizinisches Wissen zu überführen und schlussendlich den Patientinnen und Patienten zugutekommen zu lassen, stellt trotz der Spezialisierung von Fachexpertinnen und -experten eine zunehmende Herausforderung dar.

Einleitung

Wenn es darum geht, mit der Datenexplosion im Gesundheitswesen Schritt zu halten und die Potenziale, die die wachsende Menge an Gesundheitsdaten bietet, auch nutzen zu können, kommt digitalen Technologien eine immer größere Bedeutung zu. Dabei ist in vielen Bereichen ein Mangel an durchschlagenden technologischen Lösungen erkennbar. Insbesondere in Deutschland ist der Reifegrad des Gesundheitssystems in puncto Digitalisierung unterdurchschnittlich. Wie unter anderem der E-Health Monitor 2023/24 von McKinsey & Company zeigt, ist der „Fortschritt […] in einigen Bereichen weiterhin schleppend und die Skalierung steht in vielen Fällen noch aus“ (Padmanabhan et al. 2024).

In der skizzierten Situation ist zu beobachten, dass die großen Technologie-Unternehmen seit einigen Jahren vermehrt Interesse an der Gesundheitsbranche zeigen und weltweit Angebote für den Gesundheitsmarkt entwickeln. Zum einen sehen sie großes Potenzial, ihre Expertisen in Bezug auf Daten, Technologien und Kundenzentrierung einzusetzen. Zum anderen verspricht der wachsende Gesundheitsmarkt ein lukratives Geschäft.

Am Beispiel der Microsoft Corporation, von Google LLC, Amazon.com, Inc. und Apple Inc. wird im Folgenden ein grober Überblick über die Bandbreite an Aktivitäten im Gesundheitsbereich gegeben werden. Vor diesem Hintergrund beleuchten wir, welche Rolle die Technologie-Unternehmen im Zusammenhang mit der Wissensexplosion im Gesundheitswesen spielen (können). Im Anschluss an den Überblick vertiefen wir unsere Beobachtungen am Beispiel der Microsoft Corporation, die im Vergleich zu anderen Technologie-Unternehmen durch den Fokus auf das B2B-Geschäft im Gesundheitswesen weit weniger sichtbar ist

Aktivitäten der großen US-Technologie-Unternehmen im Gesundheitswesen im Überblick

Es ist zu beobachten, dass die großen Technologie-Unternehmen weltweit in ganz unterschiedlichen Bereichen des Gesundheitswesens aktiv sind. Ein sehr bekanntes, weil für Endverbraucherinnen und -verbraucher sichtbares Beispiel sind Wearables.

Wearables

Wearables sind kleine, am Körper getragene Computersysteme, die auf Nutzerinnen und Nutzer bezogene Daten erheben und verarbeiten. Ein Bereich, in dem vor allem Apple und Google stark vertreten sind. Die Apple Watch wie auch verschiedene Devices von Google (Bsp. Pixel Watch, Fitbit Charge 6) können unter anderem Blutsauerstoff, Herzfrequenz und Temperatur messen. Auch die Durchführung eines EKGs inklusive einer Überprüfung auf Vorhofflimmern ist inzwischen möglich. Wearables entwickeln sich damit immer mehr zu Medizinprodukten. Einige der genannten Funktionen sind bereits durch die US-amerikanische Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) als solche zertifiziert. An weiteren Funktionen, wie etwa der Blutdruck- und Blutzuckermessung, arbeiten die Unternehmen bereits seit Jahren.

Ein weiterer Bereich, in dem die Technologie-Unternehmen stark vertreten sind, ist die Forschung. Bereits seit 2015 stellt Apple die Open-Source-Softwareumgebungen ResearchKit und CareKit zur Verfügung. ResearchKit ermöglicht es Ärztinnen und Ärzten sowie Forscherinnen und Forschern, nach vorheriger Einwilligung Daten aus Gesundheits- und Fitness-Apps von Apple-Nutzerinnen und -Nutzern für wissenschaftliche Studien zu sammeln und auszuwerten. So wird z.B. an der Johns-Hopkins-Universität eine Studie zur Vorhersagbarkeit von epileptischen Anfällen mit der Apple Watch durchgeführt. CareKit ermöglicht es Softwareentwicklerinnen und -Entwicklern, Apps zu entwickeln, die Patientinnen und Patienten bei bestimmten Krankheiten begleiten, z.B. durch die Aufzeichnung von Symptomen oder Medikamenteneinnahmen. Diese Dokumentation kann dann wiederum mit dem Behandlungsteam geteilt werden und ermöglicht so eine bessere Versorgung.

Wearables entwickeln sich immer mehr zu Medizinprodukten.

Im Bereich der Diagnoseunterstützung bringen sich die Technologie-Unternehmen ebenfalls ein. So hat Google Ende 2023 veröffentlicht, dass es mit DeepMind ein Large Language Modell (LLM) entwickelt hat, welches für diagnostische Schlussfolgerungen optimiert wurde und in der Lage ist, eine Differenzialdiagnose zu erstellen, um so die behandelnden Ärztinnen und Ärzte zu unterstützen (Hagen 2023). Auch in der Auswertung medizinischer Bilder spielt Künstliche Intelligenz (KI) eine große Rolle, da sie besonders gut darin ist, Muster zu erkennen. Im Rahmen einer unabhängigen Studie übertraf Googles KI für Mammografie bereits 2022 sechs Radiologen und Radiologinnen bei der Erkennung von Brustkrebs (McKinney et al. 2020). Mittlerweile leistet KI Unterstützung bei der Diagnose aller verbreiteten Tumorarten.

Amazon exploriert mit seinen Zukäufen in einem weiteren Bereich des Gesundheitswesens – dem der Leistungserbringenden. Mit dem Kauf des Unternehmens PillPack stieg Amazon 2018 in den Medikamentenhandel ein. Kurz danach folgte die Einführung von Amazon Care, einem virtuellen Gesundheitsprogramm für Mitarbeitende, welches jedoch 2022 wieder eingestellt wurde. Stattdessen erwarb Amazon im selben Jahr für knapp vier Milliarden US-Dollar One Medical, einen Betreiber von 182 Hausarztfilialen in den USA und startete den Telemedizindienst Amazon Clinic. Für ausgewählte Krankheitsbilder erfolgt gegen eine Pauschale 24/7 eine medizinische Beratung durch Fachpersonal über Chat oder Video.

Während Amazon mit den aufgezeigten Zukäufen und Angeboten selbst in den Bereich der Leistungserbringung vordringt, entwickeln Google und Microsoft eigene Angebote für Leistungserbringende. Das Google Care Studio ist eine klinische Software, die dabei hilft, Gesundheitsdaten zusammenzuführen und automatisch alle wichtigen Informationen über Patientinnen und Patienten zusammenzufassen. Microsoft hat sein Angebot seit 2021 in der Microsoft Cloud for Healthcare gebündelt, auf die in Kapitel 9.3 weiter eingegangen wird.

Basierend auf dieser beispielhaften Zusammenstellung wird bereits deutlich, dass die großen Technologie-Unternehmen unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Die Tatsache, dass einige der Angebote wieder eingestellt wurden, zeigt zudem, dass die Unternehmen noch in der Erprobungsphase sind und die Strategie für die Erschließung des Geschäftsfeldes Gesundheitsmarkt stetig weiterentwickelt wird. In Tabelle 1 sind die wesentlichen Aktivitäten der Unternehmen zusammengefasst. Im Anschluss werden die unterschiedlichen strategischen Ausrichtungen von Google, Apple, Amazon und Microsoft etwas näher beleuchtet, wie sie sich basierend auf unserer Analyse darstellen.

Tab. 1 Wesentliche Aktivitäten ausgewählter Technologie-Unternehmen auf dem Gesundheitsmarkt

Google: Google hat es sich zur Aufgabe gemacht, allen Menschen überall auf der Welt zu helfen, gesünder zu leben, indem das Unternehmen Produkte und Dienstleistungen entwickelt, die Gesundheitsinformationen verbinden und sinnvoll interpretieren (Google 2024). Dafür ist Google sehr breit aufgestellt und richtet sich mit seinen Produkten sowohl an End- als auch Geschäftskundinnen und -kunden (s. Kap. II.4). Dabei geht das Unternehmen zahlreiche Kooperationen ein, wie z.B. mit der Mayo Clinic oder Stanford Medicine. Der Mutterkonzern Alphabet unterhält neben Google viele weitere Unternehmen, die in der Gesundheitsbranche aktiv sind, darunter das KI-Unternehmen Deep Mind, die beiden Biotechnologie-Unternehmen Verily und Calico sowie Google Ventures (GV), welches 150 Digital-Health-Startups im Portfolio hat.

Apple: Im Vergleich zu Google ist Apple mit seinen Angeboten im Gesundheitswesen wesentlich weniger breit aufgestellt. Aber auch Apple-CEO Tim Cook konstatierte bereits 2019, dass der größte Beitrag Apples für die Menschheit im Bereich Gesundheit liegen wird (CNBC 2019). Zum einen fokussiert sich Apple auf persönliche Gesundheits- und Fitnessfunktionen, wie etwa mit der Apple Watch und der elektronischen Patientenakte Apple Health Records. Zum anderen unterstützt Apple die medizinische Forschung und Pflege mit Softwareangeboten wie Research– und CareKit und dem Zugang zu medizinischen Daten von potenziell über einer Milliarde iPhone-Nutzerinnen und -Nutzern.

Amazon: Wie in allen anderen Branchen, die das Unternehmen Amazon bisher erobert hat, wird auch im Gesundheitswesen das Ziel verfolgt, in puncto Kundenzentrierung neue Maßstäbe zu setzen. Amazons Ansatz basiert auf digitaler, KI-gestützter, datengesteuerter Technologie, die die Versorgung für Endkundinnen und -kunden optimiert und es Leistungserbringenden ermöglicht, sich auf die Patientenversorgung zu konzentrieren (Diaz 2024). Amazon bleibt dabei dem Motto ‚fail fast‘ treu. Einige Aktivitäten, wie z.B. die Kooperation Haven mit JPMorgan Chase und Berkshire Hathaway oder Amazon Care wurden bereits eingestellt. Wie erfolgreich die Übernahme von One Medical und der Aufbau von Amazon Clinic werden, bleibt abzuwarten.

Während die drei bisher betrachteten Technologie-Unternehmen aufgrund ihrer Aktivitäten im B2C-Bereich als Akteure im Gesundheitswesen weithin sichtbar sind, agiert ein weiterer großer Player eher im Hintergrund. Im Folgenden gehen wir daher vertiefend auf Microsoft ein.

Deep Dive zur Microsoft Corporation

Als größter Softwarehersteller der Welt ist Microsoft vor allem für das Betriebssystem Windows und seine Bürosoftware Office bekannt. Weit weniger sichtbar ist das beachtliche Engagement des Technologie-Riesen in der Gesundheitsbranche. Seit über 17 Jahren ist Microsoft in diesem Bereich aktiv und spätestens seit der Corona-Pandemie ist der Gesundheitssektor für das Unternehmen zur Fokusindustrie geworden.

Spätestens seit der Corona-Pandemie ist der Gesundheitssektor für Microsoft eine Fokusindustrie.

Einer der ersten Schritte von Microsoft in Richtung Gesundheitsbranche war 2007 der Launch von HealthVault, einer digitalen Gesundheitsakte mit dem Ziel, Patientinnen und Patienten sowie Leistungserbringenden personenbezogene medizinische Daten zugänglich zu machen, um eine bessere Versorgung zu ermöglichen. Angebunden an HealthVault war das 2014 auf den Markt gebrachte Microsoft Band ein Wearable mit diversen Tracking-Funktionen. Während die Produktion und der Verkauf des Microsoft Bands bereits 2016 ausliefen, wurde 2019 auch der Betrieb von HealthVault eingestellt.

Was auf den ersten Blick den Anschein erweckt, als hätte Microsoft seine Aktivitäten im Gesundheitswesen reduziert, erweist sich bei näherer Betrachtung eher als Neuausrichtung. Tatsächlich ist ab 2019 sogar ein verstärktes Engagement von Microsoft in der Gesundheitsbranche zu beobachten. Dieses konzentriert sich entgegen dem anfänglichen B2C-Fokus vor allem auf den B2B-Bereich.

Der Grundstein dazu wurde 2017 mit Healthcare NExT gelegt, einem Dachprogramm mit dem Ziel, Innovationen im Gesundheitsbereich mittels KI und Cloud Computing zu beschleunigen. Ein weiteres klares Zeichen für das Ansinnen, stärker in die Gesundheitsbranche zu gehen, ist die Tatsache, dass Microsoft vor allem 2018 und 2019 diverse Personen aus dem Gesundheitsbereich eingestellt hat – darunter namenhafte Professorinnen und Professoren sowie Mitarbeitende aus dem Life-Science-Bereich anderer Unternehmen. Die Ambitionen, auf die die Initiative Healthcare NExT und der Aufbau eines Teams aus Gesundheitsexpertinnen und -experten schließen lassen, schlagen sich besonders seit 2019 mehr und mehr in Taten nieder.

Zum einen ist zu beobachten, dass Microsoft ab 2019 mit konkreten Angeboten in den Gesundheitssektor geht; und zwar sowohl verstärkt mit bestehenden Produkten wie etwa MS Teams als auch mit neuen branchenspezifischen Angeboten, wie beispielsweise Softwarelösungen für Terminfindung und Telehealth. Zum anderen investiert Microsoft stark in Forschung und Entwicklung und geht dafür diverse Partnerschaften und Kooperationen ein, unter anderem mit Branchengrößen wie Novartis und Astra Zeneca.

Die skizzierten Aktivitäten münden in der Microsoft Cloud for Healthcare, die im Oktober 2021 gelauncht wurde und nach eigenen Angaben des Unternehmens das erste branchenspezifische Cloud-Angebot für das Gesundheitssystem darstellt. Die Cloud for Healthcare bietet ein Bündel an Lösungen, die sich sowohl an Leistungserbringende und Kostentragende wir auch an die Forschung richten. Die diversen Use-Cases fokussieren drei Bereiche:

  • die Verbesserung der Patienteninteraktion,
  • die Förderung der Zusammenarbeit von Gesundheitsteams und
  • die Gewinnung klinischer und betrieblicher Erkenntnisse.

Das umfassende Angebot wurde seit dem Launch immer wieder erweitert, insbesondere im Jahr 2022.

Betrachtet man die Vielzahl an Lösungen, Projekten und Kooperationen wird deutlich, dass das Unternehmen sich zunehmend auf seine Kernkompetenzen fokussiert und diese auch in der Gesundheitsbranche weiter ausbaut. Dies umfasst neben Kollaborations- beziehungsweise Produktivitätstools vor allem die Bereiche Cloud und KI, in denen das Unternehmen in den letzten Jahren besonders stark wächst (Bishop 2024). Neben dem prominenten Beispiel der Investitionen in OpenAI (2019 und 2023) hat Microsoft 2022 nach langjähriger Partnerschaft das auf Spracherkennung mittels KI spezialisierte Unternehmen Nuance für rund 20 Mrd. US$ aufgekauft (Bishop 2022). Mit Nuance arbeitet Microsoft an Anwendungen der Spracherkennung im Gesundheitswesen und ermöglicht inzwischen unter anderem Leistungserbringenden automatisierte Gesprächsdokumentationen.

Im Zuge des aufgezeigten Engagements sucht Microsoft mit dem Fokus auf den B2B-Bereich eher die Rolle des Enablers im Hintergrund. In Fachkreisen wird Microsoft auch im Vergleich mit anderen Technologie-Unternehmen ein großes Erfolgspotenzial zugeschrieben (Meskó 2023). Eine Einschätzung, die wir durchaus teilen – auch und insbesondere im Hinblick auf das Wirken des Technologie-Riesen auf die Wissensexplosion im Gesundheitswesen. Auf drei Aspekte sei hier abschließend eingegangen.

Mit seiner Expertise in den Bereichen Kollaborationstools, KI und Cloud trägt Microsoft zur Wissensexplosion im Gesundheitswesen bei.

  • Indem Microsoft seine Kollaborations /Produktivitätstools in den Gesundheitsmarkt bringt, trägt das Unternehmen dazu bei, die Kommunikation und Kollaboration zwischen unterschiedlichen Playern im System zu verbessern. So kann beispielsweise der Zeitaufwand bei Aufgaben wie der (Gesprächs )Dokumentation reduziert werden. Dies ermöglicht es Leistungserbringenden, sich mehr auf die Kernaufgaben zu konzentrieren und die zur Verfügung stehenden Daten zunehmend erfolgreich in Erkenntnisse und Behandlungen zu übersetzen.
  • Darüber hinaus arbeitet das Unternehmen an der Entwicklung von KI, die auf spezifische medizinische Fragestellungen und Diagnostik trainiert ist. Damit trägt Microsoft dazu bei, aus der Daten- eine Wissensexplosion zu machen und den in den Daten enthaltenen Erkenntnisgewinn den Patientinnen und Patienten zur Verfügung zu stellen.
  • Nicht zuletzt spielt auch die Expertise des Unternehmens im Bereich Cloud Computing eine wichtige Rolle. Mit Microsoft Azure stellt Microsoft Gesundheitsorganisationen und der medizinischen Forschung Rechen- und Speicherkapazitäten zur Verfügung und übernimmt die Gewährleistung für deren Betrieb. Mit dieser Infrastructure as a Service schafft Microsoft Grundvoraussetzungen (Verfügbarkeit, Geschwindigkeit, Skalierbarkeit) dafür, die wachsende Menge an Daten im Gesundheitsbereich verfüg- und nutzbar machen zu können.

Fazit und Ausblick

Die großen Technologie-Unternehmen haben die Gesundheitsbranche als vielversprechendes Geschäftsfeld für sich entdeckt und sind längst tief involviert. Die Aktivitäten erstrecken sich von Wearables über die Forschung an eigenen Therapien, die Distribution von Medikamenten bis hin zu spezieller Software für Leistungserbringende. Indem sie selbst Gesundheitsdaten generieren und/oder akkumulieren, tragen die Unternehmen zur Datenexplosion bei. Darüber hinaus spielen sie eine zentrale Rolle bei der Übersetzung der Daten- in eine Wissensexplosion im Gesundheitswesen – das heißt dabei, die Potenziale auch zu nutzen, welche die Menge an Daten in Kombination mit modernen Technologien für die Gesundheit der Menschen bietet.

Unternehmen spielen eine zentrale Rolle bei der Übersetzung der Daten- in eine Wissensexplosion.

Die Kompetenzen, die die Technologie-Unternehmen dazu mitbringen, sind vielfältig. Als Vorreiter in der Entwicklung und Anwendung neuer Technologien tragen sie maßgeblich zur digitalen Transformation ganzer Wirtschaftsbereiche bei (wie zum Beispiel Amazon in der Logistik). Dabei agieren sie mit großer Geschwindigkeit und nach dem Prinzip ‚fail fast‘, das heißt, wenig erfolgversprechende oder nicht mehr passende Aktivitäten werden schnell wieder eingestellt (Bsp. Microsoft Band). Hinzu kommen die konsequente Ausrichtung an Kundenbedürfnissen sowie die bereits bestehende Einbindung in die Lebensökosysteme der Menschen. Mit dem etablierten Zugang zu Kundinnen und Kunden geht zudem die Erhebung umfassender (Echtzeit )Daten einher, die sich im Hinblick auf ihre Aktualität zum Teil deutlich von den Daten anderer Player im Markt unterscheiden. Auf Basis dieser Daten können das Kundenverständnis weiter geschärft und neue passende Angebote entwickelt werden. Darüber hinaus verfügen die Technologie-Unternehmen wie kein anderer Player im System über die notwendige Datenkompetenz, Infrastruktur und nicht zuletzt über die erforderlichen personellen und finanziellen Mittel.

Betrachtet man die aufgezeigten Kompetenzen vor dem Hintergrund aktueller und zukünftiger Herausforderungen im Gesundheitswesen, wird schnell deutlich, welche Mehrwerte die Involvierung der Technologie-Unternehmen haben kann. Diese erstrecken sich über die Beschleunigung der digitalen Transformation, notwendige Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen, eine stärkere Patientenorientierung bis hin zur Entwicklung von einem eher reaktiven zu einem proaktiven System.

Den Chancen stehen jedoch diverse Risiken gegenüber. Eines der größten Risiken und der Hauptkritikpunkt ist die Datensicherheit. Aufgrund ihrer vielfältigen Aktivitäten verfügen die Technologie-Unternehmen über eine große Menge sensibler Gesundheitsdaten, deren Verwendung oftmals nicht transparent und deren umfassender Schutz durch diese Player diskutabel ist. Dahingehende Bedenken rühren auch daher, dass die Motivation der Unternehmen primär in der Gewinnmaximierung gesehen wird. Die Gesundheitsbranche verspricht ein lukratives Geschäft und es bestehen berechtigte Zweifel daran, ob die unternehmerische Gewinnmaximierungsabsicht und das gesamtgesellschaftliche Interesse an einer nachhaltigen Transformation des Gesundheitssystems inklusive einer Verbesserung der Versorgung in Einklang zu bringen sind.

Angesichts des direkten Zugangs zu Kundinnen und Kunden und der Gewinnmaximierungsabsicht auf der einen Seite und der enormen Komplexität und Unterschiedlichkeit der verschiedenen nationalen Gesundheitssysteme auf der anderen Seite, besteht die Gefahr des Aufbaus einer Parallelstruktur sowie einer zunehmenden Privatisierung medizinischen Wissens und entsprechender Angebote.

In dem skizzierten Spannungsfeld zwischen Chancen und Risiken der Involvierung der Technologie-Unternehmen im Gesundheitswesen gilt es aus unserer Sicht dringend einen gesellschaftlichen Diskurs darüber zu führen, wie die Ein- und Anbindung der Unternehmen im Zusammenspiel mit anderen Akteuren im System sinnvoll und im gesamtgesellschaftlichen Interesse erfolgen kann. Es braucht politische und rechtliche Rahmenbedingungen, die die Chancen nutzbar machen und die Risiken abmildern. Denn die Frage ist längst nicht mehr ob, sondern wie die Technologiekonzerne das Gesundheitswesen prägen werden.

Literatur

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