Häufig wird das Gesundheitssystem dafür kritisiert, dass die Menschen erst behandelt werden, wenn sie krank sind. Eigentlich müsste bereits vor dem Entstehen einer Krankheit mittels Prävention eben dieser vorgebeugt werden. Was aus individueller Sicht absolut logisch klingt, ist gesellschaftlich jedoch ein Minusgeschäft.
Damit Präventionsangebote Wirkung erzeugen, müssen sie sehr breit angelegt und beworben werden. Es werden also viele Ressourcen allein dafür benötigt, dass die Menschen die für sie passenden Angebote wahrnehmen und dafür motiviert werden, sie zu nutzen. Bislang ist es zudem so, dass Angebote häufig von jenen genutzt werden, die sich bereits risikobewusst verhalten: Diejenigen, die bereits auf ihre Ernährung achten, sind also empfänglicher für Präventionsangebote im Bereich Ernährung als jene, die aus gesundheitlichen Gründen dringend ihr Essverhalten ändern müssten (Cohen et al. 2008; Franzkowiak 2022).
Bewegungsmuster, Blutdruck oder Herzfrequenz können schon heute automatisch ausgewertet werden. Wenn noch Diagnosen hinzukommen, wie in heutigen Disease-Management-Programmen, und gar Laborwerte, ist im nächsten Schritt die Auswertung durch eine KI möglich. Diese kann dann individuell konkrete Maßnahmen vorschlagen.
Wenn, mit Erlaubnis der Versicherten, anhand von Daten das individuelle Risiko bestimmt werden könnte und daraufhin ganz gezielt Präventionsangebote unterbreitet werden, würde das die oben beschriebene Problematik grundlegend ändern. Dann wäre es erstmals möglich, auch sehr teurere Präventionsmaßnahmen anzubieten und durchzuführen, ohne dass die Kosten aus dem Ruder laufen bzw. nicht mehr im Verhältnis zum Ergebnis stehen.
Und noch eine weitere mögliche Revolution steht im Bereich der Prävention an. Mit Blick auf das oben beschriebene Humangenomprojekt und die immer weiter sinkenden Kosten ist es nicht unwahrscheinlich, dass viele Menschen in Zukunft ihr Genom ausgewertet und die Informationen in einer Datenbank gespeichert haben werden. Dabei liegt die eigentliche Revolution nicht in der Sequenzierung des Genoms selbst, sondern in der Auswertung der Daten. Bislang macht ein Großteil der Arbeit nicht etwa das eigentliche Entschlüsseln der DNS aus, sondern vor allem der Abgleich mit den Datenbanken, also die halb-analoge Auswertung. Es braucht keine große Vorstellungskraft, um sich auszumalen, dass auch diese Arbeit in Zukunft maschinell unterstützt und zu einem Großteil von einer KI erledigt werden kann, und das in einem Bruchteil der bisherigen Zeit.